"Eine Geburt verändert dein Leben, es ist ein Erlebnis, welches du nie wieder vergessen wirst und für immer eine deiner stärksten Erinnerungen sein wird."
Wie oft habe ich Sätze wie diesen während der Schwangerschaft gehört? Gefühlt tausende Male. Und zwischenzeitlich konnte ich diese Sätze nicht mehr hören. Klar, die Geburt wird kein Kinderspiel aber irgendwann ist sie vorbei, man ist Mutter und die Erinnerungen daran verblassen wie die, eines Arztbesuches. Hauptsache es ist bald vorbei und der kleine Mann liegt in meinen Armen.
So oder so ähnlich waren meine Gedankengänge, wenn ich während meiner Schwangerschaft mal wieder total erschöpft auf dem Sofa lag und mich wie ein gestrandeter Wal fühlte. Die letzten Wochen gestalteten sich immer anstrengender. Die Ungeduld wurde immer größer, je näher der Geburtstermin kam. Zur Babyparty Ende November tippten alle unsere Gäste einen Entbindungstermin. Der frühste Tipp war der 14. Dezember, der späteste der 2. Januar. Keiner, wirklich keiner vermutete, das der kleine Mann sich doch noch so viel Zeit ließe und die Geburt zu einem der unvergesslichsten und vielleicht auch ein wenig traumatischsten Momente in meinem Leben machte.
28. Dezember 2017
Errechneter Geburtstermin. Seit Tagen fuhren wir schon mit der Kliniktasche im Auto zu allen Weihnachtsbesuchen und es geschah einfach nichts. Kein Anzeichen, keine Wehe. Mein Bauch wuchs den letzten Monat noch einmal ordentlich an und mittlerweile brauchte ich sogar Hilfe beim Schuhe anziehen. Meine Füße hatten sich unter der dicken Kugel schlichtweg versteckt. Auf dem CTG, zu welchem ich nun jeden zweiten Tag musste, war ebenfalls nichts zu erkennen.
3. Januar 2018
Wenn mir jemand Anfang Dezember gesagt hätte, das ich noch (mehr oder weniger) entspannt Silvester feiern kann, hätte ich wohl laut los gelacht. Der kleine Mann war einfach zu faul. Jegliche natürliche und gesundheitlich unbedenklichen Geburtseinleitungstipps nahmen wir an und probierten sie aus. Von Fußreflexzonen-Massage zu Entspannungsbädern bis hin zu "straffen, zügigen Spaziergängen" probierten wir alles. Und es half nichts. Manchmal dachte ich, der kleine hockt in mir, lacht vor sich hin und denkt sich "Macht, was ihr wollt, ihr bekommt mich hier nicht so schnell raus!".
5. Januar 2018
Ich war nun in der 41. Schwangerschaftswoche, alle Entbindungswetten-Tipps waren vorbei und ich mit meiner Geduld am Ende. Wir mussten jeden Tag entweder zum Arzt oder ins Krankenhaus zum CTG. Als wir dann am 4. Januar im Neustädter Krankenhaus waren und die Hebamme meine Erschöpfung an sah, stellte sie mir endlich die Frage der Fragen..."Wollen Sie, das wir die Geburt einleiten?".
Oh Gott ja! Ja! Bitte! Endlich! Am liebsten wäre ich gleich in den Kreissaal gegangen (Kliniktasche war nach wie vor seit Mitte Dezember im Auto), hätte die Wehentropfen genommen und los hätte es gehen können. Leider war dies natürlich nicht möglich. Eine Einleitung wird immer morgens gemacht.
Also kamen wir am nächsten Tag um 8 Uhr in den Kreissaal, voller Hoffnung, in wenigen Stunden den kleinen bei uns zu haben. Die Ärztin vertröstete mich noch mit dem Satz "Wir schauen mal, wie es morgen früh aussieht, ich glaube nicht, das die Wehentropfen so schnell anschlagen werden." Wie? Das kann dann trotz Einleitung noch ewig dauern? Ich nahm also die ersten Wehentropfen, wir bezogen in Ruhe unser Familienzimmer und waren schon gespannt, welches Mittelchen ich am nächsten Tag bekam.
Und dann ging alles gefühlt ganz schnell. Auf einmal hieß es, wir können nun in den Kreissaal gehen, es würde mehr lange dauern. Im Kreissaal begrüßte uns eine der wohl besten Hebammen, die ich während meiner Schwangerschaft kennen gelernt habe. Eine Frau, für die ihr Beruf nicht nur ein Beruf ist, sondern eine Berufung. Sie war geboren, um Frauen bei der Geburt zur Seite zu stehen und Kinder auf die Welt zu bringen.
Die Zeit verging, die Wehen wurden immer stärker und das Bewusstsein, ich werde in wenigen Stunden Mama sein, war da. Nach knapp sieben Stunden voller Schmerzen und anderen unschönen Erfahrungen, ging alles ganz schnell. Ich kann mich an fast nichts mehr aus der letzten Stunde der Geburt erinnern. Ich weiß nur noch, das ich lediglich die Stimme meines Liebsten hörte. Alles andere, was Hebammen und Ärzte zu mir sagten, hörte ich nicht mehr. Um es auf den Punkt zu bringen: am Ende wurden die Herztöne meines Babys immer schwächer, er hatte sich verkeilt und mein Körper half auch nicht sonderlich bei der Geburt.
6. Januar 2018
Als ich wach wurde, war mir noch nicht wirklich bewusst, was geschehen war. Ich hörte, wie eine Hebamme mit Lars sprach, dieser neben mir saß und ab und zu das Zimmer verließ. Als ich immer mehr zu mir kam, wurde mir erzählt, das ein Not-Kaiserschnitt notwendig war und ich in Vollnarkose gelegt wurde. Nach und nach kamen mir die Bilder aus dem OP Saal in den Kopf und meine erste Frage war natürlich, ob es meinem Baby gut ginge. Der Moment, als ich das erste Foto von Henry sah, kamen mir die Tränen. Ihm ging es gut, er war zur Überwachung aber noch auf der Kinderintensivstation. Bevor wir gegen 6 Uhr morgens auf unser Zimmer kamen, wurde ich in meinem Bett neben das Bettchen von Henry geschoben und durfte ihn zum ersten mal streicheln. Mehr war zwischen all den Kabeln und Schläuchen noch nicht möglich.
Und da war er nun. Henry Uwe M. Geboren am 6. Januar um 01:58 Uhr mit zarten 2990 Gramm auf den Rippchen. Den Zweitnamen bekam er von seinem wundervollen Opa, der für mich mit Abstand der größte Superheld meines Lebens ist. Wenn Henry ein genauso wahnsinnig liebevoller Mensch wird, wie mein Pap´s, dann wird er im Sturm alle Herzen der Welt erobern.
An dieser Stelle nochmal ein unendlich großes Dankeschön an meinen Liebsten. Die Geburt war alles andere als leicht und du hast genauso gelitten wie ich. Ich kann mir nur vorstellen, wie es sein muss, jemanden leiden zu sehen den man liebt und ihm selbst nicht helfen zu können. Du hast den Job super gemacht und du bist der beste Daddy, den ich mir für mein Baby hätte wünschen können.
Ich liebe Dich.
So, an dieser Stelle mache ich eine kleine Pause. Nicht, weil Henry gerade wach wird, sondern weil ich erschöpft von einer wachen Nacht bin. Das Wichtigste habe ich vorerst berichtet und ein neuer Beitrag über die erste Zeit mit Henry steht in den Startlöchern. Ich freu mich auf eure Reaktionen :)